Ich erinnere mich gut daran, dass mir vor vielen Jahren in einer der ersten Fortbildungen, die ich besuchte der Begriff „Yesudian Yoga“ begegnete. Der spezielle Stundenaufbau wurde kurz erwähnt und ich war begeistert. Ich recherchierte und studierte die gesamte Literatur, die ich dazu auftreiben konnte. Ich übte mit Lehrern, die von Selvarajan Yesudian persönlich gelernt haben und begann meine Stunden nach dem Vorbild von Yesudian zu gestalten. Seine Übungsmethode hat bis heute großen Einfluss auf meinen Unterrichtsstil. Besonders begeistert mich der gezielte Einsatz von Affirmationen und die Sanftheit seiner Methode, die trotzdem eine so tiefgehende und wohltuende Wirkung hat. Meine Suche hat mich zu der Frau geführt, die die Tradition am Leben hält: Susy Heim. Ich freue mich von Herzen, diesen so wertvollen Austausch mit meiner Lehrerin und Mentorin in Form eines Interviews mit euch zu teilen. Susy Heim und ihr Mann Rolf Heim sind die einzigen autorisierten Nachfolger von Selvarajan Yesudian. Mehr über die Besonderheiten dieser Übungsmethode, wie eine klassische Yesudian Yoga Stunde aufgebaut ist, warum Yesudian nie ein Guru sein wollte und wie Susy Heim seine Nachfolgerin wurde erfährst du in diesem Artikel.
Kim: Liebe Susy, du und dein Mann Rolf Heim habt nicht nur über 25 Jahre den Yoga Unterricht von Selvarajan Yesudian und seiner Wegbegleiterin Elisabeth Haich besucht, ihr wart auch mit ihnen befreundet. Wie hast du diese beiden außergewöhnlichen Menschen als Personen erlebt und in Erinnerung?
Susy: Ja, Kim, das ist so. Ich bin sehr dankbar für die vielen Jahre, die ich in Verbindung mit diesen beiden Menschen sein durfte. Während mehr als 25 Jahren waren Selvarajan Yesudian und Elisabeth Haich unsere Lehrer und Freunde. Selvarajan Yesudian und Elisabeth Haich waren zwei herausragende Persönlichkeiten – spirituell und in jeder Hinsicht echt. Mit ihnen zu sein war einfach schön, herzlich, harmonisch. Es war jedes Mal eine Begegnung mit zwei liebenswerten, hochgeistigen und gleichzeitig heiter-humorvollen Menschen. Es war ein Verweilen mit Freunden, mit denen wir über alles sprechen konnten, mit denen wir ernste, tiefe Gespräche führen und auch lachen konnten. Jedes Zusammensein mit ihnen war für uns ein grosses Erlebnis und dabei war nie auch nur die Spur von Gurutum oder etwas Ähnliches im Spiel. Beeindruckt hat mich ihre Ernsthaftigkeit in spirituellen Dingen; die klare Art, wie Elisabeth Haich ihr Wissen weitergab und die sanfte und feine Art, wie Selvarajan Yesudian seine geistigen Erkenntnisse vermittelte, ihre grosse Liebe und ihr Verständnis den Menschen gegenüber. Yesudian liebte Geschichten. Oft erzählte er kurze Weisheitsgeschichten über Buddha, Ramakrischna und Vivekananda. Und manchmal kleidete er eine Lebensweisheit auch in eine fröhliche Anekdote oder einen Witz. Selvarajan Yesudian und Elisabeth Haich waren für tausende von Menschen auf ihrem spirituellen Weg Vorbild und Inspiration doch niemals hatten oder hätten sie geduldet, dass ein Kult in irgendeiner Form um ihre Person gemacht worden wäre. Als ein begeisterter Schüler einmal zu Yesudian sagte: „Oh mein Guru“ antwortete Yesudian lächelnd:
„Ja ich bin ein Guru – ein Känguru! Ich hüpfe wie ein Känguru durch die Schweiz: von Zürich nach St. Gallen, nach Bern und nach Ponte Tresa.“
So wies er auf seine feine Art jede Form von Verherrlichung zurück. Die Botschaft, die Quintessenz, ihres Wirkens kann ich in wenigen Worten zusammenfassen: Elisabeth Haich sagte oft: „Stell Dir die Wirklichkeit vor und aus Deiner Vorstellung wird die Wirklichkeit werden!“. Selvarajan Yesudian drückte das Ziel des menschlichen Lebens mit den Worten aus:
„Steh auf und sei frei! Mach Dich von nichts und niemandem abhängig! Lass keinen anderen Meister zu als Deinen eigenen Meister in Deinem Innern!“
Kim: Was macht Yesudians Yogastil so besonders? Was unterscheidet ihn von anderen Hatha Yoga Stilen?
Susy: Yesudian-Yoga ist ein verinnerlichtes Üben – eine sanfte Form von Yoga und nicht in erster Linie körperbetont. Die Wirkung erfahren wir körperlich und seelisch – sowohl kraftvoll, anregend wie auch entspannend und beruhigend. Bei Yesudian geht es um Achtsamkeit und Bewusstseinslenkung. Yesudian sagte oft: „Ich gehe mit meinem Bewusstsein in den Körper hinein und gebe ihm die schönste Form“. Konnte jemand aus gesundheitlichen oder anderen Gründen eine Übung nicht ausführen, empfahl er, sie „mental zu machen“ – mit dem Bewusstsein in den Körper hineingehen und die Übung zu erleben.
Sehr zentral war für Yesudian die Atmung. Er sagte: Atmung verbindet mich – Geist – mit meinem Körper. Bei gesundheitlichen Problemen forderte er die Menschen immer wieder auf: „Atmen Sie, atmen Sie, atmen Sie …!“ Im Yesudian-Yoga kombinieren wir Atmung und Bewegung. Diese Form der Yoga-Praxis wird als die „dynamische Form“ bezeichnet. Ist eine Asana beendet, folgt – ehe sie wiederholt wird – kurz ein bewusstes Nachfühlen und die vom Yogalehrer oder der Yogalehrerin in ruhigen Tonfall gesprochene Affirmation.
Die Affirmationen mit dem Nachfühlen sind eine weitere Besonderheit des Yoga-Stils nach Yesudian-Haich. Dieser Teil der Übung ist deshalb so wichtig und wertvoll, weil die Wirkung sich nie nur auf den Körper beschränkt, sondern immer gleichzeitig auf zwei Ebenen stattfindet – körperlich und seelisch. Die Affirmationen werden ruhig und in monotonem Klang gesprochen, damit sie im Unterbewusstsein nachwirken können, z.B. „Meine Gesundheit entwickelt sich von Moment zu Moment.“ oder „Ich bin gesund im Körper und in der Seele.“
Zum Abschluss erhält der Schüler ein Blatt mit dem Programm der Stunde. Das Blatt enthält die ganze Übungsfolge mit den „Yoga-Männchen“ – einem weiteren Markenzeichen Yesudians – und zudem, als Einstimmung in die Yoga-Praxis zuhause, ein paar besinnliche Gedanken.
Yoga nach Yesudian-Haich ist ein umfassender Yoga-Stil, der sich nicht auf Hatha-Yoga beschränkt. Wir finden darin alle vier grossen Yoga-Pfade vereinigt: das
bewusste Üben der Asanas, Meditation, Yogaphilosophie und damit verbunden die tiefe Beschäftigung mit allen Bereichen unseres Daseins. Yesudian-Yoga ist eine
Yogaform, die für Menschen aller Altersgruppen gleichermassen geeignet ist und für jeden die Möglichkeit zu körperlichem und seelischem Wohlbefinden bietet. Es gibt bei Yesudian keine
sogenannten „Anfänger“ oder „Fortgeschrittene“. Jeder kann in der gleichen Gruppe mitüben, immer entsprechend seiner momentanen körperlichen Möglichkeiten. Im Yesudian-Yoga geht es nie um „Leistung“, sondern um das bewusste Erleben, es geht um die eigene Entwicklung und da gibt es keine Kategorie.
Kim: Liebe Susy, Mark und ich sind begeistert von dem strukturierten Aufbau der klassischen Yesudian Stunde. Bis heute konzipieren wir unsere Stunden oft nach diesem Vorbild und empfinden diese Art des Stundenaufbaus als unglaublich bereichernd. Würdest du unseren Lesern mit deinen Worten den klassischen Aufbau erklären?
Susy: Yesudian-Yoga hat eine klare Struktur:
Kim: Du und dein Ehemann Rolf Heim seid die Nachfolger von Yesudian. Ihr habt auf seine Bitte hin sein Studio in St. Gallen seit dem Jahr 1990 weitergeführt. Ihr seid die letzten Lehrer, die Yesudian Yoga traditionell weitergeben. Ist das richtig?
Susy: Ja, das stimmt. Wir sind die einzigen autorisierten Nachfolger. Nachdem im Jahr 1989 die Yoga-Sommerschule in Ponte Tresa geschlossen wurde, zog sich Selvarajan Yesudian auch zunehmend von seiner Unterrichtstätigkeit in St. Gallen, Bern und Zürich zurück. Als wir im April 1990 einmal zu einem Besuch eingeladen waren, überreichte uns Selvarajan Yesudian den Schlüssel der Räumlichkeiten in St. Gallen und sagte:
„Hiermit übergebe ich Ihnen meine Yogaschule!“
Diese Art zu handeln, war bezeichnend für unsere langjährigen Lehrer und Freunde. Ohne grosse Formalitäten, ohne Vertrag – in ruhiger und von gegenseitiger Freundschaft und Wertschätzung getragener Weise – übergab er uns sein Lebenswerk, um es in seinem Sinn weiterzuführen. Yesudian sagte: „Halten Sie die Yogastunden so, wie ich es tat. Halten Sie Vorträge, geben Sie den Menschen Ihre eigene Erfahrung weiter.“ Und um klar zu machen, dass wir die autorisierten Nachfolger waren, sagte er: „Fügen Sie zum Namen Ihrer Yoga-Schule den Hinweis hinzu ‚vormals Yesudian-Haich‘.“ Als Abschluss seiner Anregungen sagte er uns:
„Die Menschen sind einsam und haben Angst. Bieten Sie ihnen einen Platz, wo sie den Raum finden, sie selbst zu sein!“
Kim: Im Oktober 2023 wirst du wieder im Saarland bei Uns zu Gast sein und ein Wochenend-Seminar zum Thema „Yesudian Yoga“ geben. Erzähle uns doch kurz was die Teilnehmer*innen in dieser besonderen Fortbildung erwartet.
Susy: Wir beginnen den Tag immer mit einer Yogastunde und beenden ihn mit einer Meditation, beides natürlich im Stil von Yesudian. Nach der Yogastunde widmen wir uns während des restlichen Tages in ganz unterschiedlicher Form dem Thema „Yesudian-Yoga“. Ich spreche über seine Kindheit in Indien und zeige Euch Bilder von dieser Zeit. Wir erfahren, wie er Elisabeth Haich kennen lernte und wie sie in Budapest zusammen die erste Yogaschule Europas eröffneten und wie sie schliesslich in die Schweiz kamen und hier während einem halben Jahrhundert wirkten. Was ich Dir schon über Selvarajan Yesudian und Elisabeth Haich erzählte, vertiefe ich mit Erlebnissen und Episoden unserer Begegnungen. Ihr ganzes Bestreben war es, den Menschen ewige Wahrheiten zu vermitteln und sie auf ihrem persönlichen Entwicklungsweg zu unterstützen. Und so geht es an diesem Wochenende um Yoga als Ganzheit – Herkunft und Ursprung, Praxis und nicht zuletzt, Yogaphilosophie. Als einmaliges Zeitdokument sehen wir ausserdem in einigen Filmausschnitten „Yesudian in Ponte Tresa“ – wir erleben eine Yogastunde und eine Fragestunde mit Selvarajan Yesudian in der Yoga-Sommerschule in Ponte Tresa. Ich bin sicher, dass es ein ausgewogenes, abwechslungsreiches, interessantes und lehrreiches Wochenende werden wird und freue mich heute schon auf die Begegnung mit Euch.
Kim: Von Herzen Danke für deine Energie und dein Teilen liebe Susy. Wir freuen uns sehr dich im Oktober bei Yogimobil begrüßen zu dürfen.
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